Warum hängen wir an der Glühbirne?

Edison GlühbirneIst die Beschäftigung mit Geschichte unnötig, konservativ und belastend? Leben Kreative nur im „Hier und Jetzt“? Die Glühbirne ist ein Beispiel wie verharrend unser Geschmack oft ist.
Betrachtet man lediglich den Stromverbrauch des elektrischen Glühlichts, müsste die Glühbirne längst der Geschichte angehören. Doch warum kann sie sich als Allgebrauchslampe trotzdem seit über 100 Jahren behaupten und muss durch Verbote aus dem Verkehr gezogen werden?

Die Entwicklung des elektrischen Glühlichts

Das Prinzip des elektrischen Glühlichts hat sich seit ihrer Erfindung bis heute kaum verändert: Durch einen Glühfaden wird elektrischer Strom geschickt. Da er schlechter leitet als die Zuleitungskabel, wirkt er als Widerstand, erwärmt sich und beginnt zu glühen. Weil er unter Einfluss von Sauerstoff durchbrennen würde, wurde der Prozess in einen evakuierten – später in einen mit Schutzgas gefüllten – Glaskolben verlegt.
Auch die Ausformung des heutigen Stromnetzes geschah in Deutschland nach dem Vorbild Edisons, da die meisten großen Elektrofirmen hierzulande mit seinen Patenten arbeiteten, z.B. ab 1882 die „Deutsche Edisongesellschaft für angewandte Elektrizität“ – die spätere AEG.

Auch wenn sich das Glühlicht kaum veränderte, – der Umgang wandelte sich:
1881 auf der Pariser Weltausstellung sorgte die neuartige elektrische Beleuchtung für großes Aufsehen:
„Das größte Aufsehen (…) erregte eine Glühbirne von Edison, die man mit einem Schalter anzünden und auslöschen konnte, an welchem die Menschen zu Hunderten anstanden, um selbst diesen Schalter einmal bewegen zu können.“
Diese Handlung, über die heute keiner mehr nachdenkt, stellte damals eine Sensation dar. Hier zeigt sich der Umgang der ´first time user` mit einer neuen Technik.
Auch in der alltäglichen Nutzung erfolgte das Andrehen der Glühbirne zunächst ehrfurchtsvoll durch die Erwachsenen. Zunächst war das Licht für Kinder tabu, wie es durch den Umgang mit offenem Licht selbstverständlich war. Diese Zuweisung der Verfügungsgewalt hielt sich noch eine zeitlang. Die Lichtschalter befanden sich direkt an der Lampe oder an der Wand in einer Höhe von ca. 1,50 m. Heute betätigen Kinder ganz selbstverständlich den Lichtschalter, die inzwischen gut erreichbar in der Höhe von 1,10m angebracht sind.
Das Objekt der Begierde avancierte zum kaum beachteten Alltagsobjekt.

Auch wenn heute die Frage weitgehend entschieden ist, dass Lampen mit Strom zu betreiben sind, besteht nach wie vor eine Konkurrenz um die Wahl der besten Leuchtmittel, Leuchtstoffröhren, Energiesparlampen und LED sind seit Jahren auf dem Vormarsch.

Vor allem im Wohnbereich zeigt sich, dass sie nicht zuletzt aus emotionalen Gründen bevorzugt wird. Sie wird als vertraut empfunden, zum einen aufgrund ihrer Form, zum anderen wegen ihrer Lichtqualität.
 

Die vertraute Form

Glüh-BirneDie Durchsetzung der industriellen Beleuchtung zeigt, dass sich der Prozess der Akzeptanz einer neuen Lichttechnik jahre- wenn nicht jahrzehntelang hinzieht.
Im Gegensatz zur euphorischen Aufnahme des elektrischen Glühlichtes auf den Weltausstellungen und im öffentlichen Raum, bestand im 19. Jahrhundert ein Vorbehalt gegenüber deren Nutzung im privaten Wohnbereich.
Dieser Vorbehalt sollte durch eine formale Ähnlichkeit der elektrischen Beleuchtung mit bereits vertrauten Beleuchtungstechniken überwunden werden. Kerzenförmige Birnen imitierten die Flamme der Kerze, die ersten elektrischen Lichtschalter waren von den Gashähnen abgeleitet. Lampenschirme Edison entwarf seine Lampenfassung so, dass sie bei der Umrüstung von Gas- zum elektrischen Licht in das Gewinde eines damals üblichen Gasrohres passte. Noch heute kommen elektrische Lampen zuweilen als Petroleumlampen oder Kerzen daher.
Der Glaskolben der Glühbirne ist technisch bedingt, da der Glühfaden nur in einem Vakuum vor dem Durchbrennen geschützt wird. Schon Edisons erste Glühlampen besaßen die Birnenform. Diese Form war neu und besaß kein direktes Vorbild im Alltag.

Nicht zuletzt das Neue Bauen der Zwanziger Jahre führte zu einen Verbreitung der „nackten“ Glühbirne, die nicht hinter getönten Lampenschirmen versteckt wurden.
Der Glaskolben des elektrischen Glühlichtes ist inzwischen seit Jahrzehnten so selbstverständlich, dass es Leuchtmittel mit einer anderen Form schwer haben: Die Leuchtstoffröhre beispielsweise, erlebte nach 1945 ihre Blütezeit. Sie herrscht in Funktionsräumen wie Büros und Küchen vor. Doch durch ihre abweichende Form sie konnte die Glühbirne nicht einfach ersetzen. Daher wurde die kompakte Leuchtstofflampe entwickelt – allgemein als Energiesparlampe bekannt. Hier sind mehrere dünne Röhren gebündelt und ein integriertes Vorschaltgerät erlaubt die Verwendung in gebräuchlichen Glühbirnensockeln.
Da sich die Energiesparlampe sich nur dort verbreitete, wo ihre Röhrenform nicht zu sehen oder irrelevant ist, wird versucht, die Form der Glühbirne zu imitieren. Der runde Kolben ist dabei technisch funktionslos.
 

Die Lichtqualität

Industrie-LampeAuch die Lichtqualität setzt auf vertraute Wahrnehmungsgewohnheiten:
Da es sich bei der Glühbirne um ein Glühlicht handelt, ähnelt ihre Strahlung dem Spektralbereich von offenen Flammen von Kerze, Petroleumlampe, des Gaslicht aber auch dem Sonnenlicht.
Diese Wahrnehmungsgewohnheiten spielen bei der Ausformung neuer Beleuchtungstechniken durchaus eine Rolle: Schon die Gasbeleuchtung wurde der vertrauten Lichtintensität von Kerze und Petroleumlampe angeglichen.
Auch Edisons imitierte eine ältere Lichttechnik. Er setzte sich als Ziel:
„(Die) Herstellung eines nicht besonders großen oder blendenden, sondern eines kleinen Lichts, das so sanft wie das Gaslicht ist.“
Die künstliche Beleuchtung erhellte die Wohnräume des späten 19. Jahrhunderts nicht so stark, wie es technisch möglich gewesen wäre. Schivelbusch geht davon aus, dass vor 1900 gar kein Bedürfnis nach helleren Lichtquellen für den privaten Gebrauch bestand, als sie das Gasglühlicht bot. Die ersten elektrischen Glühbirnen setzten sich nicht durch, weil sie das Gaslicht an Helligkeit überboten, sondern, weil sie es imitierten.

Die Konsumgewohnheiten der Nutzer ändern sich nur langsam. Erst nach 1900 setzen sich hellere Glühbirnen und eine stärkere Ausleuchtung der Räume durch.
Für Generationen, die mit der Glühbirne aufgewachsen sind, stellt sie nach wie vor die angenehmste künstliche Beleuchtung dar.
Doch es gibt Anzeichen dafür, dass das Licht von Leuchtstoffröhren und Niedervolt-Halogenlampen und LED für die nächsten Generationen zur Normalität wird.

 


Quelle

Bettina Günter: Die Alltagswelt und die Rolle der Industriekultur – Die Objekte der industriellen Massenkultur als Anker des Erinnerns, in: Bettina Günter (Hg.): Alte und Neue Industriekultur im Ruhrgebiet. Ergebnisse eines Symposiums des Deutscher Werkbunds NW auf Zollverein, Essen 2010

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